Ausstellung Axel Klepsch 2014

Rede anlässlich der Ausstellung von Axel Klepsch in Wuppertal, Wolkenburg 48, in Räumen von Claudia Kempf am 6. Dezember 2014

Liebe Freunde, Liebe Gäste, Lieber Axel,

Ich freue mich sehr heute zur Ausstellungseröffnung von Axel Klepsch in Wuppertal einige Worte zu den ausgestellten Werken sprechen zu dürfen. Mich freut dies besonders, weil uns eine lange Freundschaft verbindet. Es begann im Orientierungsbereich der Kunstakademie Düsseldorf und intensivierte sich in den Jahren 1982 bis 83 während des gemeinsamen Studiums in der Klasse von Nam June Paik, bis ich die Klasse in Richtung Berlin verließ. In dieser Zeit haben wir einige gemeinsame Arbeiten verfasst, geteilte Autorenschaft sozusagen. Es entstanden Filme, Dokumentationen, Videos, performatives Zeug und Skulpturen. Mir sehr lebendig in Erinnerung ist die gemeinsame Reise nach New York 1982 zur Retrospektive von Paik im Whitney Museum of American Art. In dieser New Yorker Zeit sind einige kurze Super-8 Filme entstanden, unter unserem Label „Roaches Film“, die wir schnell und spontan gedreht haben. Später in den 90er und 2000er Jahren wurden unsere Kommunikationsfäden dünner, berufliche Verpflichtungen, das liebe Geld, Heiraten dort – Kinder hier, das Übliche, was uns alle mal mehr mal weniger entzweit.

 

Von Träumen und Alpträumen – bildnerische Arbeiten von Axel Klepsch

 

Die Ausstellung zeigt eine Reihe von Ölbildern, Zeichnungen mit Kreidestiften gefertigt und Zeichnungen mit Ölfarbe pastös aufgetragen. Große und kleine Formen. Bei den Ölbildern ist der Betrachter gefordert sich zu bewegen, um gleichsam aus der Totale den Bildinhalt zu erfassen, oder für das Close up näher an den Bildträger heranzutreten, um feine Strukturen zu erkennen. Dies führt zu einer beweglichen Betrachtung, denn wir erleben im Nahfeld die feinen Hintergrundmotive bei fast intimer Betrachtung und in der Fernsicht, aus der Totale heraus, die gesamte Komposition. Die Bilder halten uns gleichsam in Bewegung als erginge man sich auf einem erhöhten Küstenstreifen und versucht ein Objekt am Horizont auszumachen. Die horizontale Gliederung aller Bildkompositionen wirkt als Maß stiftende Linie, der Horizont weist dem Betrachter einen festen Platz zu. So konstruiert wirken die Bilder wie Projektionen, die aus unterschiedlicher Distanz wahrgenommen werden möchten.

 

Axel Klepschs Passion sind Schiffe und das Meer. Riesige Objekte in weiter Ferne, Industrieprodukte, Militärmaschinen, See- und Kriegsgerät, waffenstarrende Kolosse, die irgendwohin unterwegs sind. Häufig scheinen sie nach Osten zu gleiten, der Bug zeigt nach rechts, seltener gen Westen: Armaden, Geleitzüge, Armeen. Besonders die mittelformatigen Ölbilder – zwischen 2007 und 2013 entstanden – versammeln erschreckende Szenarien, die wir aus der mal propagandistischen, mal kritischen Kriegsberichterstattung der Massenmedien her kennen. Perfekte Schönheit der Technik, Vollkommenheit in Präzision – man schaut sich einen Katalog von Kriegsgerät an oder besucht die Waffenausstellung in Abu Dhabi: Geile Pötte.

 

Doch löst sich das machtstrotzende Gebaren meist in der Zerstörung auf, in den Untergängen, wenn Menschenopfer zu beklagen sind. Krieg ist in seiner fotografischen Repräsentation seit dem Krimkrieg 1855, wie Susan Sontag in „Regarding the Pain of Others“ ausführt, immer ein Schreckensbild, propagandistisch inszeniert oder dokumentarisch faszinierend im Stil der Warphotography. In keinem Fall können wir uns seiner Aufmerksamkeit entziehen.

Axel Klepsch projiziert Fotografien mittels eines großen Positivprojektors auf die Leinwand. Er skaliert, verfremdet und inszeniert das fotografische Bild neu und überführt es in die Malerei. Diese Technik ist nicht unbekannt, Richter und Polke seien genannt, das Verfahren führt mittels der ästhetischen Überhöhung immer in die Distanz und löst das Vorbild aus dem Kontext seiner technischen und massenmedialen Produktionszusammenhänge. Wir sehen in vielen dieser Ölbilder die Auflösung des ikonenhaften Portraits in winzige musterhafte Schiffsreihen, Pixel oder Punkte, eine Art Zeilenschrift, Text und Textur. Die reproduktiven Techniken der Massenmedien werden mit dieser zeichnerischen Technik im Bildraum erinnert – in einer Art mechanisch wirkenden aber manuell ausgeführten Reproduktionsmethode. Dazu kauert der Künstler auf dem Boden und malt mit großer Akribie in einer Art Fronstellung hockend, gebeugt über dem Bildgrund, auf Bretter gestützt, um die Hand aufzulegen.

 

Erinnern wir uns: Axel Klepsch bekleidete vor seinem Leben als Künstler den Beruf des Tiefdruckfarbretuscheurs, saß an Leuchttischen und bearbeitete unter großen Lupen Vorlagen zur druckreife. Er kennt das Kleine im Großen, ist geübt in minutiöser Geduld, um Handlungen auf winzigem Raum auszuführen, weiß um die Bedeutung der Details, denn er schaut genau hin. Er ist ein Gestrandeter in seinem ersten Beruf und nimmt 1980 das Ziel in den Blick als Künstler die unbekannte See zu befahren. Axel verlässt mithin sichere, aber langweilige Gestade, sticht in See und sucht seitdem – vielleicht Inseln, vielleicht Treibgut, vielleicht Häfen.

Ich zitiere aus dem Gedicht „Radar“ von Gottfried Benn:

 

 

Wie weit sind Sund und Belt
und schwer die Hafenfrage,
wenn – ohne Takelage –
noch Nebel fällt!

 

Die Hafenfrage stellt sich uns allen. Findet jedes Lebensschiff seinen Bestimmungshafen? Wo endet die gefährliche Fahrt über das Meer? Wofür stehen Häfen?

 

Die Schiffskolosse verkleinern sich zu einer Masse, einem musterhaften Hintergrund. Hier im Bild löst sich das Materielle auf, wie Axel besonders betont. Vergrößern wir technische Bilder weit über die Auflösungsgrenze hinaus, bestehen sie aus Dots, Pixeln oder Bits and Bytes, deren Inhalt einerlei ist. Das technische Bild trägt keinen Inhalt, es zeigt immer nur einen Zustand: ON oder NO ON. Mich erinnert sein filigranes Handwerk an die zeichenhafte Malerei von Antoni Malinowski, dessen grafische Vorbilder Militärkarten entstammen oder sie lassen in ihrer Methode unentrinnbarer Auflösung an die Zahlenbilder Roman Opalkas denken. Axels malerischer Gestus schwebt ambivalent zwischen der großen bildnerischen Geste und ihrer Auflösung im Detail. Dies wirkt filmisch, wie zuvor angedeutet, aber wenn filmisch dann auch trügerisch, denn wie Lichtenberg in einem Aphorismen ausführt: „Man sollte die Bücher immer desto kleiner drucken lassen, je weniger Geist sie enthalten.“ Vielleicht liegt in diesem Bonmot der Schlüssel zu den echten Kriegsschiffen und ihrer materiellen Auflösung in der Kunst.

 

Einerseits betrachten wir in dieser Ausstellung das oberflächlich romantische Sujet versammelter Schiffe, Fernweh und „La Mer“ . Die Bilder zeigen andererseits aber zweifelsfrei Perspektiven des „Universal Soldiers“ , wie er vom Land aus betrachtet in der Ferne zumeist unsichtbar bleibt, wenn er als Schattenriss fremde Gestade und Kontinente erobert oder verteidigt, immer aber als Verlierer heimkehrt, wenn überhaupt. Das Meer als erträumtes Ideal wird zum Topos des Schreckens, zur Dystopie. Das Meer in seiner vollkommenen Dimensionslosigkeit ist für den Menschen der unmögliche Lebensraum schlechthin, mithin das große Gleichnis aller unerreichbaren Ideen und Träume.

 

Die Metapher vom Untergang auf See hat Hans Blumenberg umfassend in seinem 1979 publizierten Buch „Schiffbruch mit Zuschauer“ beschrieben, ich zitiere: „Zwei Vorraussetzungen bestimmen vor allem die Bedeutungslast der Metaphorik von Seefahrt und Schiffbruch: einmal das Meer als naturgegebene Grenze des Raumes menschlicher Unternehmungen und zum anderen seine Dämonisierung als Sphäre der Unberechenbarkeit, Grenzenlosigkeit, Orientierungswidrigkeit. Bis in die christliche Ikonographie hinein ist das Meer Erscheinungsort des Bösen, auch mit dem gnostischen Zug, dass es für die rohe, alles verschlingende und in sich zurückholende Materie steht.“ Blumenberg berichtet in seiner Schrift im weiteren von Biografien, die erst als Schiffbrüchige glücklich zur See fahren können, wir erinnern uns an Axels berufliche Neuorientierung. Hoffnung und Schrecken liegen im Bild der Seefahrt eng beieinander, sie bedingen sich.

 

Die frühen Kinderheimaufenthalte auf der Insel Norderney in den späten 50er Jahren zeigen den jungen Axel fasziniert, er sah: Schiffe, Schiffe, Schiffe. Er träumt, und diese Träume sind in den Bildern ebenso zu erkennen, wie sie den Alptraum zeigen, das falsche Ideal und Trugbild der Hoffnung. Die Reise wird zum Vorteil des Reisenden nur virtuell angetreten. Wie in vielen seiner Videoarbeiten sehen wir Versatzstücke von Träumen leichter Matrosen, mythologisch aufgeladene Ausschnitte aus Magazinen und Nachrichten, die immer schon publiziert sind, abgegriffen, benutzt. Oder traurig und untergegangen wie in den vier Bildern nach „E la nave va“, dem Film von Federico Fellini, dessen Allegorie auf den Untergang im Juli 1914 spielt, in dem eine Gruppe exzentrischer Künstler von den ersten Stürmen des Weltkriegs überrascht wird. Wenn man will, der selbstgefällige Dampfer Europa von Flüchtlingen zum Kentern gebracht.

 

Axel Klepsch zerschneidet und editiert seine privaten Traumgebilde zu Kunstwerken aus fotografischen Vorlagen schmutziger Kriege – allesamt Schiffbrüche der Zivilisation. Damit entlarvt er Romantik „als verklärende Struktur“, wie Rüdiger Safranski 1997 in seinem Buch „Das Böse“ nachweist. In falscher Romantik, inklusive Utopien und Ideologien, steckt das Böse, weil es Irrwege anbietet, zumeist mit dem Ziel den Menschen zu bessern und ihn durch falsche, verklärende Bilder zu steuern. Axel Klepsch entgegnet seinen Träumen und sich selbst in einem anhaltenden inneren Dialog, der sich wie ein aus Realismus gesponnener Faden durch sein Oeuvre zieht und dieses Werk an einem Horizontstrich zusammenhält:
Romantische Hoffnungen sind falsche Träume.

 

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Ausstellung von Axel Klepsch – Rede von Martin Kreyßig am 06.12.2014