Baumstumpf – Andreas Slominski

Baumstumpf / Tree Stump © Andreas Slominski, Martin Kreyssig 1998

Andreas SlominskiDeutsche Guggenheim Berlin, 1998, Videofilm, Länge 4:22 min
Inhalt: Der Künstler lässt einen Baumstumpf aus dem Grunewald von einem Gärtner auf der Promenade Unter den Linden eingraben. Er ragt nur noch wenig aus der Erde.

»Seit der Jahrhundertwende ist die Straße Unter den Linden einer von Berlins bedeutendsten Boulevards. Nachdem zahlreiche Lindenbäume während des Zweiten Weltkrieges zerstört worden waren, wurde die Allee wieder in ihren ursprünglichen Zustand versetzt. Die 370 Bäume, die heute hier stehen, sind numeriert und von der Städtischen Umweltbehörde registriert. Der Standort des Deutsche Guggenheim Berlin an dieser historischen Straße veranlaßte Slominski, nahe der Straßenkreuzung Unter den Linden und Friedrichstraße einen Baumstumpf zu „pflanzen“.

Der Baumstumpf aus dem Grunewald wurde von einem Gärtner mitten auf der Promenade eingegraben. Er ragte nur noch wenig aus der Erde. Für den ahnungslosen Passanten mußte dies den Eindruck erwecken, als habe jemand einen der städtischen Bäume „gelyncht“. Aber wie ist das möglich, hier mitten auf dem Gehweg? Hier hat doch noch nie ein Baum gestanden. Es war ein Eingriff, ein Zeichen, das die Regelmäßigkeit der Baumreihe störte. Spaziergänger waren irritiert und ratlos. Woher kam dieser Baumstumpf? Bereits nach einem Tag war er von den Behörden abgesperrt worden. Diese Sicherheitsvorkehrung lenkte die Aufmerksamkeit allerdings noch mehr auf das rätselhafte Objekt.«

Text aus dem Katalog: Andreas Slominski, Deutsche Guggenheim Berlin © 1999 The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York

Baumstumpf, Andreas Slominski, Deutsche Guggenheim Berlin @ Martin Kreyssig 1998
Baumstumpf, Andreas Slominski, Deutsche Guggenheim Berlin @ Martin Kreyssig 1998
Baumstumpf, Andreas Slominski, Deutsche Guggenheim Berlin @ Martin Kreyssig 1998

Gestohlene Luftpumpe – Andreas Slominski

Gestohlene Luftpumpe / Stolen Bicycle Pump © Deutsche Guggenheim Berlin, Andreas Slominski, Martin Kreyssig 1998

Andreas SlominskiDeutsche Guggenheim Berlin, 1998, Videofilm, Länge: 1:45 min
Inhalt: Andreas Slominski stiehlt eine Luftpumpe.

Slominski wollte eine Luftpumpe stehlen, ein Vorhaben, das sich als schwieriger erwies als erwartet. Heute lassen nur noch wenige die Luftpumpe an ihrem Fahrrad zurück. Wichtig war auch die Wahl des Tatorts. Die Tat mußte in einer ruhigen Straße und im Schutz der Dunkelheit ausgeführt werden. Irgendwann entdeckte Slominski nicht nur den geeigneten Ort, sondern auch das richtige Fahrrad. Es lehnte an einer Wand in Berlin Mitte. Farbe: Graublau; Marke: Diamant. Die Pumpe steckte lose in ihrer Halterung; dies ist ein wichtiges Detail. Es wäre leicht gewesen, die Pumpe zu nehmen und wegzurennen. Doch das hätte Slominski wohl kaum herausgefordert. Die Pumpe mußte auf seine spezielle Art ergattert werden: mit Rahmenrohr. Für diese Aufgabe war Slominski gut ausgerüstet. Mit der Metallsäge hatte er Luftpumpe und Rohr schnell vom Fahrrad getrennt. Ein wachsamer Hund bellte, doch der Dieb flüchtete unbeachtet in die Dunkelheit der Nacht.

Text aus dem Katalog: Andreas Slominski, Deutsche Guggenheim Berlin © 1999 The Solomon R. Guggenheim Foundation, New York 

Gestohlene Fahrradpumpe, Andreas Slominski, Deutsche Guggenheim Berlin @ Martin Kreyssig 1998
Gestohlene Fahrradpumpe, Andreas Slominski, Deutsche Guggenheim Berlin @ Martin Kreyssig 1998
Gestohlene Fahrradpumpe, Andreas Slominski, Deutsche Guggenheim Berlin @ Martin Kreyssig 1998

Sag mir

Ein Ganzes – wann gab es das? – kehrt in Splittern
dir im Rücken, ritzen
das blankgeschliffne Beil
teilt Rumpf und Kopf
in rote Diamanten.
Sag mir, ob jemals etwas zustande gebracht?
Schweißtropfen vergeblichen Bemühens, das Gedicht aber
will Blut.

Dreck von Gestern – nie hört es auf? – schäumt
in Blasen, der ewige Faschismus,
Windjacken behängte Skelette ohne Rückgrat,
in Selbstsucht
nach Triumphen gieren, zerstören
Empfindung Weisheit Lied:
Wölfe.

Heiße Blutgier im Blick, Metallzungen
Beile aus Worten, mit jedem Splitter
wachsen Grenzen, sprechen Fäuste.
Schwarzer Block, auf dem die Freiheit
liegt, verschnürt um Atem ringend, ein nasses Kissen:
Würde.

Ausgebeint die Liebe, um Suppe
zu kochen, Splitter tausendfach tanzen
dir im Rücken, furchen
das Fleisch, die Münder aufgespannt:
Sag mir

Großzügig verschenkt die Zeit ihre Bilder

Wir stehen einander gegenüber,
mahlend, schmatzend,
stakst ihr zwischen Heidepflanzen,
starr zitternder Bewuchs,
ein offener Kreis
aus Tieren, behörnt zottelig schön.

Ich beobachte die Ziegenherde, wie ihr
vor achttausend Jahren kaut und wiederkäut,
ein offener Kreis
schaut ihr zu mir durch die Zeit,
auf dem Sprung.

Achtsam schreitet ihr,
jeder Schritt gewusst,
die borstige Mahlzeit verbeißend,
die Zeit zwischen uns
ein offener Kreis
gekreuzte Blicke aus Jahrtausenden,
Spuckfäden gewebter Erinnerungen.
Hungrig senkt sich der Blick.

Die Hand – Kunst und Künstler im Film

Filmessay von Martin Kreyssig, 1999, 80 min

Wie lange benötigt ein Kunstwerk zu entstehen? Auf jeden Fall, zu lange für einen Film. Eine unerträglich lange Dauer für den Spielfilm, der schneiden, Zeiten raffen muss, die Essenz zu finden hat. Der Film muß den einen Augenblick finden und zeigen, der für alle anderen Augenblicke steht, die weniger aufregend sind, die langweilig, die aber wesentlich zur künstlerischen Arbeit gehören.

Das künstlerische Schaffen – Arbeit generell – erscheint unfilmisch. Ausnahmen bilden der Sport im Fernsehen oder die Genres des Western- und Gangsterfilms. Hier wird Arbeit exemplarisch vorgeführt: Planung, Ausführung, Scheitern oder Sieg. Hier können Personen auftreten, die sich mit ihrer Arbeit einen Namen gemacht haben: Mörder, Einbrecher, Detektive. Sie haben eine Biographie, sie haben einen Ruf, der ihnen vorauseilt, sie sind gefürchtet und werden verehrt. Das Publikum möchte zu dieser „Künstlerspezies“ gehören, zu diesen Outcasts, deren Atelier in der Prärie liegt, weit draußen vor der Zivilisation, zurück in der Vorzeit, als man nah an der Erde wohnte und einem ordentlichen Handwerk nachging.

Das Filmessay sucht auf unterhaltsame Weise die Annäherung an den Mythos vom Künstler und seiner Kunst. In Beispielen aus Spiel- und Dokumentarfilmen sowie Filmen von und über Künstler schaut man den Protagonisten über die Schulter und von dort auf die Finger. Die authentische, die falsche, die fälschende, die gefälschte, die heilige und die göttliche Hand.

Gezeigt werden Ausschnitte aus folgenden Filmen: Catching lead, USA 1969, Richard Serra / Hand, D 1992, Martin Kreyßig, Pia Stadtbäumer / Un chien andalou, Frankreich 1929, Luis Bunuel & Salvadore Dali / Die Günstlinge des Mondes, Frankreich 1984, Otar Iossiliani / Pirosmani, UdSSR 1969, Georgi Schengelaja / Das Leben der Bohéme, F/BRD/S/Finn 1991, Aki Kaurismaki / New Yorker Geschichten, USA 1989, Martin Scorsese / Wer hat Angst vor Rot Gelb Blau, BRD 1990, Heiko Schier / Perry Mason und die Kunst des Malens, USA 1991, Christian Nyby / Hans Cürlis – Kunstdokumentarist –, BRD 1990 / Shelters – Zufluchten, D 1993, Martin Kreyßig, Antoni Malinowski / Le mystere de Picasso, Frankreich 1955, Henri G. Cluzot / Die Schöne Querulantin, Frankreich 1990, Jacques Rivette / Immer Ärger mit Harry, USA 1955, Alfred Hitchcock / Paint it Black, USA 1988, Tim Hunter / Mord in der Akademie, BRD 1994, Ulrich Stark / Die Hand, USA 1980, Oliver Stone / Tödliche Bilder, USA 1994, Phedon Papamichael / Fälschungen als hohe Kunst, BRD 1992, Denisce Dilanni / F for Fake, Frankreich 1974, Orson Welles / Der Gefangene von Alcatraz, USA 1961, John Frankenheimer / Das Loch, Frankreich 1960, Jacques Becker / Der Zug, Frankreich, Italien 1963, John Frankenheimer / Pickpocket, Frankreich 1959, Robert Bresson / Markus Lüpertz, 1992 / I-beam music, D 1995, Nicolas Anatol Baginsky, Barry Schwartz, Martin Kreyssig / To live and to die in L.A., USA 1985, William Friedkin / North by Northwest, USA 1959, Alfred Hitchcock.

Shelters / Zufluchten © 1993 Antoni Malinowski, Martin Kreyssig

Die Hand – Kunst und Künstler im Film wurde an neun Kunstorten aufgeführt:

27. April 2003, Galerie der Gegenwart, Hamburg / 16. November 2001 Museum für Moderne Kunst, Frankfurt/M / 12. September 2001, Folkwang Museum Essen / 27. Juni 2001, Kunsthalle zu Kiel /  05. April 2001, Gesellschaft für Aktuelle Kunst, Bremen / 14. Oktober 2000, Kunstmuseum Winterthur / 13. September 2000, Museum Haus Lange – Haus Esters, Krefeld  / 04. Mai 2000, Württembergischer Kunstverein / 19. Februar 1999 WienerKunstverein, Wien

I-Beam Music / Nicolas A. Baginsky / Barry Schwarz / Kampnagel, Hamburg / Film by Martin Kreyssig © 1995