Die Steinorgel wird mit den Füßen gespielt. 13 Kieselsteine erklingen entsprechend ihrer Form und Färbung. Das Arrangement ist nach der Berührung und einer Verzögerung von 36 Millionen Jahren zu genießen.
Belgische Schamanen
Die Toten würfelten mit rosinengroßen Gehirnen, als Trommeltöne sie riefen. Eine Schamanin aus Belgien, groß gewachsen, schwarzhaarig, hockte in einem pränuraghischen Höhlengrab und schlug die „Blume des Lebens“. Sie blickten einander in die Augenhöhlen, die Schamanin und die Toten, die an den Stränden der Unterwelt ein entspanntes Leben führten. Robert Redford war gerade angekommen, die Schlange der Wartenden endlos und ständig warfen sie Münzen, um die Reihenfolge zu ändern.
Die Schamanin wollte einen Blick ins Jenseits werfen, Fühlkontakt aufnehmen. Doch die Toten scherten sich nicht um sie, rasselten fröhlich, sie werde noch genug Zeit haben das Jenseits zu erkunden, ewig sozusagen. Gekicher.
Sie erzählten vergnügt von dem Kurzfilm ‚La Pluie‘, den Marcel Broodthaers, ein echter belgischer Schamane, kürzlich unter begeistertem Gröhlen vorgeführt hatte. Ein Zauber, der Buchstaben in Tränen verwandelt. Der Kunstregen aus Wassereffekten hatte das Publikum zum Toben gebracht.
Das Gespräch erstarb, bevor es begonnen hatte. Die enttäuschte Schamanin stieg in den Mietwagen und nahm das Flugzeug zurück nach Belgien. Die Toten musizierten und klapperten mit den Knochen, Tonspur zu einem neuen cinéastischen Fest. Mal sehen, welche Schattenspiele Robert, The Lion, im Gepäck hat.
Wie eine Libelle vielleicht?
Ich erwachte vom Gewicht einer Libelle. Nicht die Berührung, ihr Blick hatte mich erschrocken. Sie kratzte sich den Hinterkopf, musterte die Kleiderlandschaft unter sich. Wir hielten stumm Eintracht, Sockel und Programm. Das Zwiegespräch ließ nicht deutlich werden, wer sprach und wer zuhörte. Es klang wohl so: »Ich möchte in einer Zwischenwelt, schweben zwischen Arbeit und Ableben, Welt ohne Ziel und Publikum, Welt der Genugtuung aus Ziellosigkeit, ohne Ergebnis, Welt friedvollen Gleitens, etwas Schwereloses.« Fort war sie, und ich fiel zurück in die Träume der Nachmittagssonne.
Im Park
Ein szenischer Essay von Martin Kreyssig, daraus einige Szenen:
Die Welt im Park erscheint dem kritischen Betrachter mal als Klinik, mal als Bergwerk, wie man es aus Museen kennt, mal als Galerie, manchmal wie ein Paradies. Nicht selten, und die Begriffe fallen mit den Eindrücken zusammen.
EVER NEVER. Langsamer Monolog aus zwei Worten, in deutscher Diktion gesprochen, zu Beginn normal schnell, die Worte getrennt, dann zunehmend zu einem Wort verschmelzend, im letzte Schritt nur noch die E-Laute vernehmbar, das Knochengerüst der Konsonanten zermahlen: EEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEEE.
Die Geographie des Parks ist Seelenkunde, Ermittlung und Anleitung.
An der Simon- oder Goldbergsäule lauscht man einer akustischen Installation. Hier wird in zweiunddreissig Variationen der Satz gesprochen: Wo ist der Punkt?
Von aussen nimmt man das viereckige und fensterlose Gebäude aus Klinkersteinen im Gelände kaum wahr. Betritt man den Innenhof durch den einzigen Eingang von Norden her, steht man inmitten von vier Tempelfassaden aus griechischer Vorzeit. Die Aussenwände des Tempels nach innen geklappt, lassen sich drei monumentale Wandstücke gleichzeitig betrachten. Der Tempel als Bühnenbild.
Es liessen sich Liebesgeschichten, Biografien, Heldenreisen, Dramen und Abenteuer vorstellen. Könnten hier Begegnungen, glückliche und empfindsame Momente, wahre oder unwahre Begebenheiten inszeniert werden? Wäre hier der Ort, Gesichter zu sehen, Worte zu hören, deren Anmut, Härte oder Ironie den Park in seiner Wirkung zurücktreten und als Hintergrundrauschen verblassen liessen? Wäre ein Stück Leben wie ein Teil der Wirklichkeit zu entdecken, wie verhielte sich die virtuelle Wirklichkeit des Parks dazu? Und platzierte man hier pralles Leben wie einen nackten Schrei – wäre davon zu hören?
Der Park ist nichts, vielleicht eine Unruhe, ein Zittern.
Den Landkartenraum betritt man auf dessen umlaufender Galerie. Aus grosser Höhe sieht man auf den Park als Ganzes im Maßstab 1:1. Hier lässt sich das Paradox in seiner ursprünglichen Schönheit genießen.
Im Echosaal lauscht man den Stimmen vergangener Jahrhunderte. Das schneckenförmig gedrehte Gewölbe zeigt an seiner Kassettendecke Portraits aller an diesem Bauwerk beteiligten Handwerker. Athanasius Kircher spricht vom Bandrekorder Krapp’s Last Tape. Weltaneignung im Dialog mit Echoapparaten: Quellen sprudelnder Spiegelbilder und Totenmasken.
Der Park zeigt eine Ausstellung der Eitelkeiten, eine Messe neuster Moden. Nach wenigen Tagen ist alles vergessen, der Rollrasen im Schrank, die Garagentore geschlossen. Erwartungsvolle Stille vor dem nächsten Gig. Vorhang.
40 Jahre Arbeiten

Heute warf ich die Zeugen vierzigjähriger Arbeit weg. Zwei Wagenladungen Negative, Arbeitskopien, Originalaufnahmen auf Film, Video und Tonband. Sämtliches Halbzeug aus dem anschließend Filmwerke wurden. Bessere und schlechtere.
Das Erinnerungspaket „sperrige, lose Abfälle“ in der abgemessenen Größe von knapp einem Kubikmeter kostete beim Recyclinghof 52,00 €. Alle orange gekleideten Mitarbeitenden waren freundlich und hilfsbereit. Als ich mit der zweiten Fuhre kam, tanzten und sangen sie fröhlich zu lauter Musik aus dem Handy. Sie ahnen, was manche Fracht für die Anliefernden bedeutet.
Die Natur sieht den Zustand der Leere gleichgültig. Auch ich sollte die Angelegenheit leicht nehmen, ich meine, die 40 Jahre Arbeiten.