Le soleil a la taiIlle d’un pied humain – Le Diaphane

Le soleil a la taille d’un pied humain © Martin Kreyssig, Denys Zacharopoulos 1993

Videoessay der Ausstellung „LE DIAPHANE – Une Réflexion, une Collection, une Exposition, un Lieu“ in französischer Sprache (60 min, 1993) von Martin Kreyssig, kuratiert von Denys Zacharopoulos, mit Werken von Giovanni Battista Piranesi und  zeitgenössischen Künstlern in Tourcoing / Pas de Calais 1990 – 91.

Künstlerliste: Carla Accardi, Pierre Dunoyer, Arnulf Rainer, Jean Pierre Bertrand, Jannis Counellis, Reinhard Mucha, Per Kirkeby, James Coleman, Thomas Ruff, Thomas Schütte, Niele Toroni, Dan Flavin, Eugéne Leroy, Gilberto Zorio, Pier Paolo Calzolari, Michelangelo Pistoletto, Daniel Walravens, Matt Mullican, Jan Vercruysse, Harald Klingelhöller, Herbert Brandl, Jean-Marc Bustamante, Marisa Merz, Mario Merz, Brice Marden, Isa Genzgen, Renè Daniels, Jeff Wall, James Welling, Ernst Caramelle, Helmut Dorner, Mariella Simoni, Richard Long, Gerhard Richter, Pat Steir, André Caderé, Blinky Palermo, Sol Lewitt, Silvie et Chérif Defraoui, Thomas Struth, Dan Graham, Günther Förg, Lawrence Weiner et al.

Der Videofilm mit dem Titel »Le soleil a la taiIlle d’un pied humain / Die Sonne hat die Größe eines menschlichen Fußes« folgt der von Denys Zacharopoulos konzipierten Ausstellung im Museum und der Akademie der nordfranzösischen Stadt Tourcoing. Der umfangreichen Präsentation zeitgenössischer Kunst stehen die Arbeiten des Barockarchitekten und Vedutenzeichners Giovanni Battista Piranesi (1720-78) gegenüber. Der Film geht ausführlich auf die Arbeit dieses großartigen „Archäologen der Architektur“ ein, beschreibt Leben und Technik, und verbindet sein Oeuvre mit den Darstellungen moderner Skulptur, Malerei und Zeichnung.

Texte von Heraklit, Victor Hugo, Paul Valéry und Paul Virilio ergänzen den Film um die Problematik der Repräsentation moderner Kunst im Museum. Das Durchscheinende – Diaphane – der Ausstellung bildet die Struktur des Films.

 

Denys Zacharopoulos, LE DIAPHANE, Tourcoing / Lille, Videoessay © Martin Kreyssig 1993
Giovanni B. Piranesi, LE DIAPHANE, Tourcoing / Lille, Videoessay © Martin Kreyssig 1993
André Caderé, LE DIAPHANE, Tourcoing / Lille, Videoessay © Martin Kreyssig 1993
Reinhard Mucha, LE DIAPHANE, Tourcoing / Lille, Videoessay © Martin Kreyssig 1993

Vor Morgengrauen

Gedichte als Loseblattsammlung

Haltestelle

Erinnerungen
stürmen die Bettstatt.
Ich rutsche zur Seite.
Dein warmer Körper
aus Worten.

Einsteiniade

Im Schlaf
besteht der Raum
aus Zeit.

Traumbahnhof

Der Nachtzug steht.
Nebenstrecke Abstellgleis?
Schweissnaß am Amazonas?
Schritte Schreie lange Schatten?
Spiegel ohne Gesicht?
Frierend im Schneegestöber?
Gefesselt in der Schulbank?
Im Schlafanzug auf dem Mittelstreifen?
Gott König Vater Strafgericht?
Kein Ort Nirgends?
Herzklopfen Wasserhahn Stille?
Mondhell Nebel Stimmen?
Steht die Haustür offen?
Nimmerland?

Sehnsucht

Spannung genug
über den Fluß
Innerste
Äußerste
in Bewegung
zu halten
Innen Außen
Ufer zu Ufer
Rand Midlum Rand
Oben Unten
KURZ, das Ganze
sammen zu halten
im Gleichgewicht
Schraube und Fundament
Gram und Sumpfteich
Luft und Feder
Kern und Umfang

Innerste
Äußerste
Spannung genug
zu halten
Anspruchsgewicht
Anforderungsgewicht
Antriebsgewicht
gelingt
nicht.
Typisch Morgengrauen.

Glück der Erddrehung

Schlaf und Frieden
träumen des Nachts
das Glück der Erddrehung:
schwarze Blicke.

Hundszunge

Wer bin ich?
Hundszunge,
schwimmendes Tuch,
schwebender Schatten?
Wer?
Im Maul der schlafende Fisch.
Die Worte liegen auf Grund.
Wer bin ich?

Leibesübungen

Heute
stehen in vorderster Linie
die Toten von morgen,
usw.

Plastik

Im Ball
aufgepumpt
Étienne-Louis Boullée
aus Nichts
klebriges Plastik am Knochen
im Kopf innen
im Ball im Kopf
aufgepumpt
ein Sternenmeer
im Planetarium
kugelförmige Leinwand
aus klebrigem Plastik
Ball im Kopf
bis an die Ohren
an die Augen
am Hinterkopf
sämtliche Aus- und Einlässe
verklebt mit dem Boullée’schen
Modell eines sprechenden Balls
drückt der Sternenwind
die Leere im Inneren ein Sturm
aus Licht ein Rauschen
Zypressen unter dem Lichtermeer
Noise aus All
Gepumpter Ball
im Kopf das Kenotaph
Druck aus weißem Sternenlicht im schwarzen Lochkopf im Kopf
projiziert Boullée den Sternentanz
im Dunklen das Helle
Guillotine im Lichtkopf
im Ball
im Kopf
im Schwarz
im Rauschen
All Ball Kopf
Knall

Tagesfrucht

Die Tagesfrucht fällt
von Woche zu Woche früher
zu Boden;
von Furcht geerntet
schnellt die samtene Nachtstunde
in schwarze Traumhöhen;
Tor, Klippe, Vorhang,
Modell der Gier.

Rezept

Halbgar in Bettsoße,
betrachte ich die Traumeinträge
der Nacht: Nichts dabei heute.

Hinter dem Vorhang

auf der Seitenbühne
wattefarbene Gestalten
in klammer Morgenkälte
warten ohne Stichwort
angelehnt angewachsen
der Auftritt
scheidet die Farben

ein Windhauch streichelt
das Schilf, fächelt in Wellen
knarrendes Wiegen in der Stille
geschnittener Atem

vor dem Schritt ins Licht
atemlose Scham und Angst
wispern zischen hauchen
Stimmenvoyeure gieren
Schleier der Ungewissheit

Blickfang der Träume
Schwarze Schatten
Kostüme aus Eifersucht
soufflierende Roben
der Tag webt bleiern
graue Blätter

aufspringende Regentropfen
überstimmen die Sekunden

N.N.

Meine Kopfsuppe gerät zur Trübe.
Kormorane hocken auf dem Schädelrand, fischen Bröckchen.

Last Exit Sounds, yeah

Die Reise geht ins Jenseits,
töff töff,
klapper klapper
zisch zisch.

Rechts und links winken Umwege,
tröt tröt,
offen die Tür straight durch die Mitte,
quietsch quietsch.

Leinen los,
hup hup,
Atem los,
pfft pfft.

Nähe der Erinnerung

Lichtblasen,
Spektrum aus Zeit,
Farbenspiel im Prisma,
scharfes Klingen befreundeter
Stimmen,
Wellen
wärmender Erinnerungen,
Bilder,
Begegnungen,
Körper:
Schleier aus Tropfen.

ohne Titel

Schrei aus Stille
heißt es,
dabei auch ohne
Licht.

Schatten der Sphinx

Nacht für Nacht
Reisen ohne Räder in Rätseln
ohne Lösung

Zweifel

im Brustkörbchen
schlägst du
für mich;
im Brustkörbchen
schlägst du
für dich;
schlägst du für dich oder
schlägst du für mich oder
schlägst du für uns?

MiroirrioriM

Shuttle Spiegel Schatten
flatternde Roben
unbunte Raben
Zeitläufer
Abgesänge lyrische
Zimbeln verstärkt
im Tunnelschwarz
scratching double
Backofengrab bye bye
signature farewell
on gateway seven.

ohne Titel

Ich
will
sprechen,
doch
fehlt
die Schüssel mit
Erbrochenem.

Gewissheit

Die Frühjahrsblüte kommt
ohne meinen Blick
aus.

Guter Hoffnung?

Hoffnungsvoll
stimmt die
Gewissheit:
Auch Quälgeister sind
Sterblich.
Furchtbar
stimmt die
Gewissheit:
Auch Quälgeister sind
Fruchtbar.

Einstimmig

Das Ohr am Kopfkissen
lauscht dem Herzschlag: Klingt
deine Melodie
im Sound der Zeit?

Hohlkehlchen

In Alzhausen zeigt Dr. Heimer auf die Kirche.
Im Dorf lassen, schreit er gegen den rollenden Militärkonvois.
Jeden Tag aufs Neue.

Gabelung

Silben staken,
Schwere schmilzt ins Leichte,
ins Offene weicht der Atem.
Tod, letzter Hüter, schließ‘ die Tür.
Ohne Richtung.

Weltgeräusch

Ich wollte mitgeschrieben haben, von dem Geräusch erzählen, als die Welt sich drehte.
Da war kein Mut, kein Stift, kein A, kein O.
Ich hörte nur ein Herz schlagen.

.

Winterende

Stichstraße gen Süden.
Gipfelkranz verzuckert, verschämt verborgen
im Tiefgang der Wolken;
Geometrie in Kalk, Logenfries:
Arena dem oberen Dorf – ein Blickfang.

glucksen gurgeln
in Röhren in Bächen
tropfen Zapfen fließen:
Tau.
Sonatine memoriert,
Knospe des Vorfrühlings;
die Sonne schneidet
scharfkantige Bergspitzen,
wärmt den Flecken, Lichtschwerter,
Dächer Jacken Wiesen.

Fackelmänner in Rotloden
kreuzen unter LED-Laternen
erblindete Kapellen;
Torten aus Gneis aus Geröll,
silbern gefasst – ein Schlussstein.

BODYMAP

BODYMAP © Axel Klepsch, Martin Kreyssig 1982/2025

Ein Super-8-Film (Länge 1:45 Min) und ein Toast auf Manhattan von Martin Kreyssig, Performance Axel Klepsch & Martin Kreyssig 1982, gedreht im PS1 in New York.

BODYMAP © Axel Klepsch, Martin Kreyssig, 1982/2025
BODYMAP © Axel Klepsch, Martin Kreyssig, 1982/2025
BODYMAP © Axel Klepsch, Martin Kreyssig, 1982/2025

Vom Eindruck zum Ausdruck – Grässlin Collection

Vom Eindruck zum Ausdruck – Grässlin Collection © Familie Grässlin, Martin Kreyssig 2001

Die Sammlung Grässlin in den Deichtorhallen Hamburg, 2001. Videofilm (Länge: 17:30 Min), hergestellt von Martin Kreyssig im Auftrag der Familie Grässlin. Mit Musik von Rüdiger Carl nach Texten von Werner Büttner, gespielt von Alexander von Schlippenbach (Piano), Gabi Dziuba (Stimme) und Rüdiger Carl (Stimme, Akkordeon, Drummachine).

Künstlerinnen und Künstler: Kai Althoff, Cosima von Bonin, Werner Büttner, Clegg & Guttmann, Mark Dion, Helmut Dorner, Fischli & Weiss, Günther Förg, Isa Genzken, Asta Gröting, Georg Herold, Hubert Kiecol, Martin Kippenberger, Michael Krebber, Meuser, Reinhard Mucha, Christian Philipp Müller, Christa Näher, Manuel Ocampo, Albert Oehlen, Markus Oehlen, Tobias Rehberger, Andreas Schulze, Andreas Slominski, Franz West, Christopher Williams, Joseph Zehrer, Heimo Zobernig.

Seit einem Jahrzehnt stellen die Deichtorhallen in loser Folge bedeutende Privatsammlungen der Gegenwartskunst vor. Den Auftakt dieser bislang sieben Präsentationen bildete 1991 die schweizerische Emanuel Hoffmann-Stiftung, eine hochkarätige Sammlung der Moderne. Zuletzt zeigten die Deichtorhallen 1998 unter dem Titel „Emotion“ Teile der Münchner Privatsammlung Goetz, in der junge britische und amerikanische Positionen der 90er Jahre gegenübergestellt wurden.

Die Ausstellung „Vom Eindruck zum Ausdruck – Grässlin Collection“ führt diese Reihe fort. Damit wird ein von den bisher gezeigten Sammlungen weitgehend differierender Typus des Kunstsammelns vorgestellt. Denn die „Grässlin Collection“ kann man eher als Gruppenunternehmen, als eine Art kollektives Werk sehen, an dem die fünf Familienmitglieder – Anna, Thomas, Sabine, Bärbel und Karola Grässlin – beteiligt sind und in dem sich die unterschiedlichen Positionen der Beteiligten widerspiegeln.

Der Titel der Schau „Vom Eindruck zum Ausdruck“ ist einem Gemälde von Martin Kippenberger entliehen, mit dem die traditionelle Vorstellung von der Entstehung des Kunstwerks ironisch ins Gegenteil verkehrt wird. Zugleich markiert dieses Bild von 1981 die Entstehungszeit des neueren Teils der Grässlinschen Sammlung, dem die jetzige Ausstellung gewidmet ist. Die Wurzeln des mehr als 1000 Einzelposten umfassenden Kunstbesitzes liegen in der „Informellen Malerei“ und dem süddeutschen Konstruktivismus. Der 1976 früh verstorbene Unternehmer Dieter Grässlin und seine Frau Anna im badischen St. Georgen haben ein respektables Ensemble der Kunst nach 1950 zusammengetragen; darunter finden sich bedeutende Werke von Wols, Fontana, K. O. Götz, Sonderborg.

(Quelle: Deichtorhallen Hamburg)

Grässlin Collection, Deichtorhallen Hamburg © Familie Grässlin, Martin Kreyssig 2001
Grässlin Collection, Deichtorhallen Hamburg © Familie Grässlin, Martin Kreyssig 2001
Grässlin Collection, Deichtorhallen Hamburg © Familie Grässlin, Martin Kreyssig 20
Grässlin Collection, Deichtorhallen Hamburg © Familie Grässlin, Martin Kreyssig 2001